~ 1900-1910: Jugendstil

Allgemeines über den Jugendstil

Um die Jahrhundertwende 1900 wird in Schweden der Jugendstil eingeführt. Der Name stammt von dem deutschen Wort Jugend, wird aber im restlichen Europa als Art Nouveau bezeichnet – die neue Kunst. Der Stil bricht erstmals mit den bisherigen neuen Stilen und es entsteht eine völlig neue Formensprache basierend auf der organischen Weichheit der Natur. Der Stil hat seinen Ursprung in der englischen Arts- und Crafts-Bewegung, die in den 1880er Jahren entstand. Die Hauptfigur war William Morris, der durch seine eleganten Tapetenmuster bekannt wurde. Durch die Blumen- und Pflanzenmuster von ihm und anderen Designern entsteht der kommende Stil.  

1897 findet in Stockholm die „Allgemeine Kunst- und Industrieausstellung“ statt. Die Ausstellung zeigt Bauten im neuen Jugendstil, der sich schnell in Schweden ausbreitete und im ganzen Land etablierte. Die Vorbilder stammen unter anderem aus Österreich und Frankreich, aber der Ausdruck nimmt unterschiedliche Formen an. Schwedische Architekten halten die internationalen Vorbilder für zu vulgär und kreieren stattdessen eine eigene schwedische Variante, die moderater und zurückhaltender ist. Nun zeigt sich das Gebäude sowohl außen als auch innen als Ganzes mit stimmiger Gestaltung, weicher Formensprache und hellerer Farbgebung. Der architektonische Stil blüht in den Mehrfamilienhäusern der Stadt auf, während die Architektur der Einfamilienhäuser von einem nationalromantischen Interesse für Bauernkultur geprägt ist.

In Schweden ist die Abwanderung in die Städte nach wie vor hoch und der Wohnungsbau wird hauptsächlich von privaten Bauherren vorangetrieben, die Miethäuser bauen. Die in den 1890er Jahren einsetzende Sehnsucht nach Natur und gesünderem Wohnen setzt sich fort und das Einfamilienhaus wird zum Wohnideal der Zeit. Außerhalb der größeren Städte und zentral in den kleineren Städten entstehen Wohngebiete für die Mittelschicht und wohlhabende Familien. Aber unter den Familien der Arbeiterklasse ist die Überbelegung eine fortwährende Tatsache. Die sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede in der Klassengesellschaft sind enorm. Über die Eigenheim-Bewegung werden Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenssituation der Arbeiter angestoßen, und erstmals deutet sich an, dass der Wohnungsbau zur kommunalen Angelegenheit wird. In Schweden wird das Konzept der „Gartenstadt“ nach englischem und deutschem Vorbild auf den Weg gebracht und werden neue Wohnviertel für die Arbeiterklasse geplant. Die Einfamilienhäuser und Reihenhäuser sind zwar für Arbeiter gedacht, aber oft zu teuer und werden stattdessen von Beamten gekauft. 

Fassadenstil

Die Mehrfamilienhäuser im Jugendstil zeichnen sich durch glatten Putz in Gelb-, Orange- und Rosatönen mit spärlichem Dekor in der gleichen Farbe wie der Rest der Fassade aus. Typisch für die Zeit sind Reliefmuster oder Schnitzereien in Form von schmalen Linien oder Bändern aus glänzenden Fliesen, die in die Fassade eingelassen wurden. Die Dächer bestehen aus Sattel- oder Walmdächern mit lackiertem Blech. Wohlhabende Häuser können mit Kupferplatten oder glasierten Ziegeln gedeckt sein. Die meisten Häuser sind mit Erkern in wellenförmiger, weicher Formensprache geschmückt, die in einer geschwungenen Form über dem Gesims enden. Die Gestaltung und Vielfalt der Erker sind zahlreich und unterstreichen die Verspieltheit des Architekten. Die Erker lassen mehr Tageslicht in die Wohnungen und bieten zudem einen besseren Blick auf die Straße. 



Fredrikshovsgatan 5 in Stockholm, Jahr 1905. Eines der schönsten Jugendstilgebäude Schwedens.

Die Fassaden und vor allem die Türrahmen sind mit Pflanzenornamenten versehen, die von der nordischen Fauna inspiriert sind. Hier sieht man Tannenzapfen, Blumenkränze, Eichenblätter und Tannenzweige. Tiermotive sind ebenfalls üblich. Die Hoffassaden und Hofgebäude sind einfacherer Natur. Die Fenster hatten ein charakteristisches Design; mit Mittelträgern und kleinen, verglasten Fenstern oben, manchmal mit einem gebogenen Querträger. Die Fensterverzierungen sind in englischem Rot, Braun, Grün oder Ocker gestrichen. Die Treppenhäuser sind über Außentüren mit Füllungen und Glaselementen zugänglich. 

Der wellige, beliebte Jugendstil ist bei Einfamilienhäusern aus Holz schwer zu realisieren, sondern eignet sich besser für Putzfassaden. Größere und luxuriösere Einfamilienhäuser mit verputzten Fassaden werden in warmen Gelb- oder Beigetönen gestrichen. Die kleineren Arbeiterhäuser haben Holzfassaden, oft mit horizontalen Paneelen, die in Falu-Rot gestrichen und weißen Verzierungen versehen sind. Aber unabhängig von der Fassade handelt es sich bei dem Dach oft um ein Walmdach und das Haus ist mit Balkonen und Gauben versehen. Die Fenster haben wie bei den Mehrfamilienhäusern im oberen Teil kleine Sprossen. 



Schöne Doppeltür im Jugendstil. Einfamilienhaus in Nynäshamn.

Gebäude aus dem 20. Jahrhundert

Die Wohnungen wurden immer komfortabler – für die, die es sich leisten konnten. Der Einzug der Elektrizität ist von großer Bedeutung und wirkt sich auf die Gestaltung der Häuser aus. Ab Mitte des Jahrzehnts werden Wasserklosetts installiert und Zentralheizungen mit Wasser kommen immer häufiger vor. 

In der Zeit um die Jahrhundertwende 1900 waren die Unterschiede zwischen den Häusern sehr groß. Zum Beispiel konnten die luxuriösesten Häuser bis zu zehn Zimmer haben, während eine Arbeiterwohnung normalerweise einen Raum mit einem Holz- oder Kachelofen hatte. Außerdem wohnten bei der Familie oft zusätzliche Mieter, um die Kasse aufzubessern. Ein bürgerliches Wohnhaus verfügt über eine große Diele, von der aus alle Räume erreichbar sind. Die Küche ist zum Hof hin ausgerichtet und hat oft eine eigene Verbindung zum Treppenhaus. Auch in den Einfamilienhäusern hat die Küche einen eigenen Eingang vom Garten aus. Neben der Küche gibt es normalerweise einen Serviergang mit Wandschränken für das feine Geschirr. Dieser Bereich wird fürs Eindecken und Abräumen von Abendessen genutzt. Die meisten Wohnungen haben keine Toilette, dafür wird die Garderobe oft in ein kleineres Bad umfunktioniert. In den Einfamilienhäusern wird in der Regel in einer Badewanne in der Waschküche im Keller gebadet, während sich auf dem Grundstück eine Trockentoilette befindet. Die größeren Einfamilienhäuser verfügen innen über eine Trockentoilette und einen Toilettenraum nebenan.

Das große Interesse für Formensprache wirkt sich nicht nur auf die Fassaden aus, sondern prägt auch die Innenräume bis ins kleinste Detail. Das gesamte Haus wird als durchdachtes Ganzes betrachtet. Die Menschen haben genug vom dunklen Interieur des späten 19. Jahrhunderts und sehnen sich aufgrund neuer Vorstellungen von Gesundheit und Wohlbefinden nach hellen und fröhlichen Farben. Durch Erker, hohe Fenster in Gruppen und eine hellere Farbgebung erhalten die Häuser luftige und helle Räume. Wohn- und Esszimmer sind durch breite Schiebetüren getrennt und Verzierungen sind in hellen Grüntönen gestrichen, die von der Bauernkultur inspiriert sind. Tapeten erhalten helle Dekore im Jugendstilmuster und die Decke wird mit einer Hohlkehlleiste mit weichen Formen, entweder aus Gips oder Holz, versehen. In den Gesellschaftsräumen wird hauptsächlich Parkett verlegt, während die anderen Räume einen Linoleumboden hatten. Die Kachelöfen sind meist glatt und einfarbig, können aber auch mit einem Dekor versehen sein. 

Farbenfrohes Interieur aus dem Einfamilienhaus Strömsfors, Anfang des 20. Jahrhunderts.

Noch beliebter als in der Architektur wird der Jugendstil in der Innenarchitektur. Ein Vorbild ist Karin Larssons romantischer Einrichtungsstil, der sowohl viele inspiriert als auch nach und nach zum Vorreiter wird. In der hellen Einrichtung fehlen dunkle Vorhänge, Tapeten und Farben. In Jugendstil-Häusern sind die Zimmer mit Eichenmöbeln ausgestattet, die sich durch wellenförmige Linien und geschnitzte Verzierungen auszeichnen, vorzugsweise mit Obstmotiven wie Äpfeln oder Birnen. Die Beleuchtung ist von Messingkronleuchtern geprägt. Die neuen bunten Tapeten, Porzellan und Glas mit Pflanzenornamenten sind Massenware. Carl Larsson und Anders Zorn sind beliebte Künstler, deren Werke ein Gefühl für die Zeit vermitteln.  

Fenster 1900-1910

Die Jugendstilfenster haben mit den kleinen Sprossen im oberen Teil einen unverwechselbaren Charakter. Es gibt aber auch Fenster ohne Sprossen. Die Sprossen haben keine Funktion und dienen nur der Ästhetik. Die Fenster sind als ein-, zwei- oder dreiflügelige Fenster mit Querträgern und Rundbögen ausgeführt. In exklusiven Häusern können die Fenster mit speziell entworfenen Wellenformen gestaltet werden. Nach innen gerichtete Bögen kommen immer häufiger vor. Die neue Konstruktion bringt stärkere Verzierungen mit sich. Bei Rundbögen werden die unteren Bögen mit Espagnoletten geschlossen, während die oberen mithilfe eines Drehknopfes oder mit Spannhaken geschlossen werden. Die Fensterverzierungen bestehen aus Kernholz mit einem hohen Harzgehalt, was sie widerstandsfähiger gegen Fäulnis macht. Sie werden oft in etwas kräftigeren Farben wie Grün oder Englischrot gestrichen.

Außentüren – 1900-1910

Während der Zeit des Jugendstils war die Außentür ein sehr wichtiger Bestandteil der Fassadenkomposition und konnte sowohl symmetrisch als auch asymmetrisch platziert werden. Oft befindet sich über der Tür ein rundes oder ovales Fenster. Die Türen bestehen aus hellem, lackiertem Holz, um die Struktur des Holzes hervorzuheben. In der Regel sind es Doppeltüren, aber auch Einzeltüren kommen vor. Die Türblätter haben eine schlichtere Formensprache, können aber auch geschwungen und mit Glas versehen sein. Die Türgriffe sind in Messing oder Bronze gegossen mit einer weichen, zeittypischen Formensprache. Die meisten Griffe wurden in der Fabrik hergestellt, während einige einzigartig waren und speziell für bestimmte Häuser hergestellt wurden.

Die Eingangstür des Einfamilienhauses ist normalerweise eine breite Einzeltür mit unterschiedlichen Füllungen und einem Sprossenglas, das für Lichteinfall sorgt. Das Türblatt ist mit Leinölfarbe in hellen Farben wie Weiß, Hellgrau, Ocker oder Grün gestrichen. Es gibt auch lackierte Türen, wie bei den Mehrfamilienhäusern. Die Türen haben weich geformte Griffe mit langen Schlüsselplatten aus massivem Messing und Scharnieren mit einem dekorativen Knauf.

Treppenhaus – 1900-1910

Der Übergang von den spätklassizistischen Formen des 19. Jahrhunderts zur wellenförmigen Formensprache des Jugendstils und das Interesse an der nordischen Flora kommen in den Farben und Stuckaturen der Treppenhäuser zum Ausdruck. Die Treppenhäuser zeichnen sich durch helle Farben mit Details in Gelb oder Bronze aus. In wohlhabenden Treppenhäusern sind marmorierte Wände in Gelb- und Grüntönen beliebt. Zusätzlich zur Marmorierung werden die Wände oft mit Stucco Lustro behandelt, um eine glänzende Oberfläche zu schaffen (eine glänzende, steinähnliche Oberfläche aus Kalk + Farbe, gemischt mit Seife, die mit Wachs und heißem Eisen veredelt wird). Die Wände können mit gestrichenen Friesen und Stuckreliefs verziert werden, wie vorspringende, weiße Säulen und Zierleisten, die mit einem zeittypischen Kapitell, Bordüren oder zeittypischen Motiven in kräftigeren Farben abschließen. In den einfachen Treppenhäusern sind die Wände mit einer dunklen Brüstung und einer helleren Fläche versehen.

Die Decke hat oft weiß gestrichene Stuckleisten und der Boden und die Treppen sind mit Carrara-Marmor ausgelegt. Es kommt auch Zementmosaik vor, Terrazzo, das aus zerkleinertem Granit und Marmor besteht, der mit Zement zu verschiedenfarbigen oder gemusterten Fliesen gemischt wird. 

Die Treppe ist zum Hof ausgerichtet und kann sowohl geschwungene als auch gerade Handläufe mit gemauerten oder offenen Treppenspindeln haben. Die Fenster sind nach wie vor oft mit Bleiglasscheiben versehen. Diese bestehen entweder aus gefärbten Glasscheiben in kunstvollen Mustern oder aus gemalten Motiven, was eine kostengünstigere Alternative darstellt. Blumenmuster, z. B. Rosen, waren beliebte Motive.

Im Treppenhaus wurden die Geländer oft mit gedrechselten, gemaserten Pfosten oder Eisengeländern mit geometrischen Formen, oft bronziert, gestaltet. Der Handlauf an der Wand ist aus Holz, rund und mit gedrehten Knöpfen versehen. 

Der Aufzug des Treppenhauses ist für ca. 3-4 Personen ausgelegt und als separater kleiner Raum konzipiert, verkleidet mit Holzpaneelen und Spiegeln mit polierten Kanten. Oft gibt es eine eingebaute Sitzbank mit einem lederbezogenen Kissen. Der Aufzug wird in der Treppenspindel platziert und mit Drahtgeflecht und schmiedeeisernen Gittern in sanften Wellenformen oder stilisierten Blumenmustern versehen. Das Schmiedeeisen wird in Gold, Schwarz oder Bronze lackiert.

Der Zugang zu den Wohnungen erfolgt über hohe Doppeltüren mit Füllungen, teilweise mit Aufsatz aus Gips. Die obere Füllung ist oft mit Milchglas versehen, ebenso wie ein Fenster über der Doppeltür, um den Lichteinfall in die Wohnung zu erhöhen. Türverkleidung und Sockel sind vom gleichen Typ wie in der Wohnung. Der gesamte Eingangsbereich wird mit Maserungen versehen, um Massivholz wie Eiche oder Mahagoni nachzuahmen. Die Türblätter hängen an kunstvoll verzierten Scharnieren mit Knäufen. Die Türklinken, Briefschlitze und Klingeln sind aus Messing in weichen Formen. Sie können beim Schlosshersteller bestellt werden, können aber auch speziell nach eigenen Wünschen gestaltet werden.

In der Decke der Treppenhäuser wird oft eine Deckenleuchte mit einer Glaskuppel aus Opalglas oder facettiertem Glas auf einem Messingsockel angebracht. Die Kanten des facettierten Glases erzeugen ein schönes Lichtmuster im Raum. Pendelleuchten sind ebenfalls üblich. Diese können mit einem Messingrahmen in Blumenmuster mit einer Kuppel aus Opalglas gestaltet werden.

Lampen und Beleuchtung – 1900-1910

Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird das Leben in schwedischen Wohnungen weitgehend vollständig vom Tageslicht bestimmt. Wenn die Dunkelheit eintritt, sorgen Kerzen in Leuchtern oder Öllampen für Licht. In Stockholm verfügen im Jahr 1910 nur etwa 20 % der Einwohner über elektrische Beleuchtung.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bestehen die meisten Außenlampen aus einfachen Eisenarmaturen mit Emailleschirmen und Glaskuppeln. Neben den Türen der Mehrfamilienhäuser werden schmiedeeiserne und gusseiserne Laternen installiert. Die Außenbeleuchtung der Einfamilienhäuser besteht aus Emailleplatten und Klarglas oder aus schwarzem Eisenblech mit Milchglas.

In den Wohnungen aus dem Jahr 1900 kann eine feste Beleuchtung in der Decke montiert sein. Normalerweise im Esszimmer. Die Leuchte besteht aus kleineren Glaskuppeln auf einem Messingsockel. Das Modell der Deckenbeleuchtung variiert je nach Raum. Einfachere Räume haben oft nur eine einfache Glühbirne, die an einer Porzellan- oder Messingfassung befestigt ist. In der Küche hängt oft die beliebte Schusterlampe, während in den Gesellschaftsräumen die prächtige Petroleumlampe modernisiert und mit einer Glühbirne zum Einsatz kommt.

Die Innenleuchten sind aus poliertem Messing. Vor der Einführung von Wolframbirnen in den 1910er Jahren waren Lampenschirme aus Klarglas bei Decken- und Wandlampen am geläufigsten. Das Glas ist in einem Muster geschliffen, um das Licht zu brechen und eine gewisse Blendung zu verhindern. Dabei handelt es sich häufig um ein Schachbrettmuster, oft mit einem geschliffenen Stern am unteren Rand des Glases. Klarglas ohne Schliff is eher ungewöhnlich. Auch das Krokodilglas mit einer blasenförmigen und sandgestrahlten Oberfläche ist in dieser Zeit sehr beliebt. Das opalweiße Glas ist beliebt, wird aber nur für Lampenschirme verwendet, bei denen man die Lichtrichtung steuern möchte, wie zum Beispiel beim opalweiße nLampenschirm der Schusterlampe

Stehlampen sind um 1900 eher ungewöhnlich. Die Menschen möchten nach wie vor die Möglichkeit haben, die Beleuchtung auf einfache Weise zu bewegen. Üblicher war es, etwas größere Tischlampen auf Podesten oder einem Sideboard zu platzieren. Die Stehlampen haben große, leicht geneigte Stoffschirme, die mit einer vertikalen Kante enden. Die Edfeldt Stehleuchte ist klassisch für die damalige Zeit. Lampenschirme mit Fransen an der Unterseite waren ebenfalls üblich.

Die elektrische Verkabelung ist durch verdrillte Textilkabel sichtbar, die an Porzellanisolatoren an Decke und Wänden befestigt werden. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts bestehen die Lichtschalter, sofern vorhanden, aus weißem oder schwarzem Porzellan mit einem Drehschalter zum Ein- und Ausschalten der Lampe. Die Schalter und Steckdosen sind außen und meist auf Holzplatten montiert. 

Um die Jahrhundertwende werden sowohl Wand- als auch Deckenleuchten oft mit einer Holzplatte als Abstandshalter versehen, um Platz für die Verbindung zwischen Leitung und Lampe zu schaffen. Diese Platten sieht man bis zu den 1920er Jahren. Die Holzplatte war entweder dunkelbraun oder in der gleichen Farbe wie die Wand gestrichen. 

Böden – 1900-1910

In den Gesellschaftsräumen der Jahre 1900-1910 werden hauptsächlich Eichenparkettböden in verschiedenen Mustern verlegt. Am beliebtesten ist das Parkett mit Fischgrätmuster, das Feuchtigkeitsbewegungen standhält und Trockenrisse gleichmäßig über die gesamte Fläche verteilt. Böden in einfacheren Räumen wie in der Küche können aus Dielen bestehen, die entweder geschliffen und lackiert/gestrichen oder mit Linoleum belegt sind. Wenn der Holzboden breite Risse aufweist, handelt es sich wahrscheinlich um einen Unterboden, der nie sichtbar sein sollte. Unter Esstische und Sitzgelegenheiten wurden in der Regel Teppiche oder Linoleum gelegt. Zunehmend werden ganze Fußböden aus Linoleum in kräftigen Farben verlegt. Sie sind entweder mit Mustern bedruckt, die gegen Verschleiß lackiert werden, oder für eine höhere Verschleißfestigkeit in einer Farbe mit einfacheren Mustern gegossen. Diese könnten ein sogenanntes Granitmuster oder Jaspis mit Streifencharakter haben.

Tapete – Jugendstil

Während der Zeit des Jugendstils erfreut sich die Tapetenkunst großer Beliebtheit und hat großen Einfluss. Lange schmale, ununterbrochene wellenförmige Linien werden mit nach oben gerichteten Pflanzenmotiven kombiniert. Die dominierenden Farben sind Grün, Gelb und Ziegelrot, oft auf hellem Untergrund.

Wo die Wand auf die Decke trifft, wird die Tapete mit einer Tapetenbordüre abgeschlossen. Aber wie in allen Epochen gibt es einige Parallelen, was dazu führt, dass einige Wohnungen noch mit traditionelleren Mustern tapeziert werden. Besonders beliebt sind Gobelin-Tapeten mit aufgedrucktem Muster. Tapeten, die Fliesen nachahmen, waren in dieser Zeit ebenfalls weit verbreitet.



Verzierungen – 1900-1910

Wie in den vergangenen Jahrzehnten sind die Wände der Wohnräume mit unterschiedlich hohen Paneelen versehen. Sie sind oft aus Eichenholz oder in einem Eichenholzimitat gestrichen. Die Paneele haben eine hellere Farbgebung und können in Cremeweiß oder Hellgrau gestrichen sein. Verkleidungen und Leisten sind relativ breit, ca. 11–12 cm und der Jugendstil kommt durch eine Wellenform mit mehreren kleineren Perlenprofilen im Innen- und Außenrand oder durch drei parallele Striche zum Ausdruck. In den 1910er Jahren gibt es auch gleichseitige Verkleidungen mit gleichen Profilen auf beiden Seiten. Für die Verzierungen dienten die Preislisten der Tischlereien als Grundlage.

In der Küche sind Pärlspont-Paneele beliebt.


Stuck – 1900-1910

Während der Jugendstilzeit haben die Backsteinhäuser der Stadt oft weiß gestrichene Decken und Stuck mit Pflanzenmotiven aus der nordischen Flora mit geschwungenen Formen, die symmetrische Muster erzeugten. Es ist auch üblich, dass Wände und Decken mit einer weich geformten Hohlkehlleiste aus Gips oder Kiefernholz versehen werden. Die Küchenbereiche sind oft mit Pärlspont-Decken ausgestattet.


Türen – 1900er und 1910er Jahre

Wie in den Jahrzehnten zuvor sind die Gesellschaftsräume der Wohnungen mit Doppeltüren und die anderen Räume mit Einzeltüren ausgestattet. Ein Novum ist jedoch die Schiebetür, die große zusammenhängende Räume schafft und dem Bedürfnis nach mehr Licht und Luft in den Räumen entspricht. Die Füllungen der Türen variieren sowohl in Anzahl als auch Anordnung. Eine beliebte Variante ist die mit sechs Füllungen und geraden, gleich großen Spiegeln. Die Türen sind normalerweise in einem cremefarbenen Farbton gestrichen, aber die Türen zum Esszimmer sind oft aus Eiche oder mit Maserung versehen. Die Türen sind von Türverkleidungen mit Sockeln umgeben, die nach den Idealen des Jugendstils gestaltet sind. Normalerweise mit weichen und relativ einfachen Formen, wie einer welligen S-Form, oder mit drei parallelen Linien. In der Zeit der Nationalromantik in den 1910er Jahren gibt es auch gleichseitige Verkleidungen mit gleichen Profilen auf beiden Seiten.

Die Türgriffe sind in verschiedenen Varianten erhältlich. Die älteren, kegelförmigen Türgriffe werden noch verwendet, aber es gibt auch neue Varianten, die mit weichen Messingformen gestaltet werden. Es gibt auch Türgriffe aus vernickeltem Stahl. Die Griffe sind oft auf einem langen Schild mit geschwungenen, zeittypischen Formen platziert. 

Feuerstellen – 1900-1910

Auch in Neubauten zwischen den Jahren 1900-1910 ist der Kachelofen die häufigste Wärmequelle. Gegen Ende des Jahrzehnts wurde jedoch eine Zentralheizung mit Wasserradiatoren eingebaut. Das gebräuchlichste Kachelofenmodell ist weiß mit Mittelband und Sockel. Er kann eine geschwungene Formensprache haben, inspiriert von schwedischen Kachelöfen aus dem 18. Jahrhundert. Wie andere Raumdekorationen im Jugendstil waren auch die Kachelöfen entweder mit gemalten Mustern oder Reliefs aus der nordischen Pflanzenwelt wie Tannenzapfen, Eichenlaub oder Sonnenblumen versehen. Die Kachelöfen wurden mit weißen, cremefarbenen oder türkisfarbenen Kacheln versehen.

Küchen – 1900-1910

In den Arbeiterunterkünften ist die Küche ein Treffpunkt zum Kochen und geselligen Beisammensein und wird als Schlafplatz genutzt. Nicht selten leben neben der ganzen Familie noch andere Bewohner in der Küche. Hier trifft man sich am Holzofen oder am Kachelofen mit Wärmeschrank. An anderer Stelle im Raum stehen vielleicht ein Schrank oder offene Regale für Utensilien.

In wohlhabenden Wohnungen und Einfamilienhäusern sieht es anders aus. Hier ist die Küche ein sauberer Arbeitsplatz mit eigenem Ausgang, damit Küchenpersonal, Bedienstete und manchmal sogar die Kinder des Haushalts nicht durch den Haupteingang eintreten müssen. Die Herrschaften betreten die Küche nicht und die Küche ist immer zum Hof oder nach Norden so weit wie möglich von den Gesellschaftsräumen entfernt, damit man dort nicht durch Lärm und Essen gestört wird. Ein Serviergang führt von der Küche zum Esszimmer. Der Serviergang ist mit hohen, schönen Einbauschränken mit Unterschränken für größere Utensilien, Schubladen für Besteck und Oberschränken mit Geschirr, Gläsern und Terrinen versehen. Es kann auch einen kleinen Arbeitsbereich zum Anrichten und eine kleine Arbeitsplatte mit Waschbecken geben.

In der Küche hingegen stehen Töpfe in offenen Regalen oder hängen Utensilien an Haken. Lebensmittel und Gewürze werden in einer Speisekammer aufbewahrt, die an der Außenwand gebaut ist, entweder mit einem Fenster oder einer Belüftung, um die Speisekammer kühl zu halten. In der Küche oder in einem angrenzenden Raum gibt es auch einen Eisschrank, wo der Eismann regelmäßig Eisblöcke liefert.

Das Essen wird auf einer niedrigen Spüle/Arbeitsplatte mit Unterschränken und einer Platte aus Carrara-Marmor zubereitet. Marmor ist eine hervorragende Oberfläche für den Umgang mit den Speisen, und nach dem Abendessen werden die Utensilien und das Geschirr in einer Wanne gespült, die auf der Arbeitsplatte steht, was die geringe Höhe der Arbeitsplatte erklären könnte. Entlang der Wand hinter der Spüle befindet sich ein Spritzschutz, der wie die Arbeitsplatte aus Marmor oder Zink gefertigt wurde. Wenn die Spüle nur als Arbeitsplatte verwendet wird, ist sie oft aus natürlichem Holz oder möglicherweise geölt. In der Küche gibt es ein Spülbecken, das jedoch nur als Abfluss dient. Hinter dem Spülbecken kann eine Platte aus Zink oder emailliertem Gusseisen angebracht sein.

Die Küche ist mit einem hohen Wandschrank ausgestattet, der mit einem Schlüssel geöffnet wird. Das Herzstück der Küche bildet der Holzofen, der ab dem 20. Jahrhundert nach und nach durch einen Gasherd ersetzt wird. Rund um den Ofen werden fugenlose Fliesen mit abgeschrägten Kanten verlegt. Diese können für eine luxuriösere Ausstrahlung auch mit Bordüren und Pilastern versehen sein. (Die Fliesen wurden mit einer Mischung aus Kreide, Pigment und Wasser und später mit weißer Fugenmasse verfugt.) Die Küche hat einen niedrigeren Stellenwert als die meisten anderen Räume, und während die Gesellschaftsräume mit schönen Verzierungen versehen sind, wird darauf geachtet, dass die Küche leicht abgewischt und sauber gehalten werden kann. Die Wände können glatt verputzt sein, aber besonders beliebt ist es, Wände und Decken mit Pärlspont-Paneelen zu verkleiden. Einige entscheiden sich auch für Tapeten. Die Verzierungen sind jedoch in den gleichen Farben wie der Rest des Hauses gestrichen oder mit Maserungen versehen.

Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wird das Kücheninterieur oft mit Leinölfarbe in Grau oder Beige gestrichen. Bis ins Jahrzehnt hinein sind auch Birkenmaserungen beliebt.

Hygiene – 1900-1910

Die tägliche Hygiene besteht für die meisten Menschen darin, Hände und Gesicht in einem Waschbecken zu waschen, das mit einem dazugehörigen Krug mit Wasser gefüllt wird. Gebadet wurde selten und dann in einer Wanne auf dem Küchenboden. Wenn kein Wasserzugang im Haus vorhanden war, wurde das Wasser aus einem Brunnen im Hof geholt und auf dem Ofen erhitzt. Die technologische Entwicklung verdeutlicht die Unterschiede in der Hygiene zwischen Arm und Reich. Für diejenigen, die es sich leisten können, wird zunächst ein kleiner Waschraum mit einem Waschbecken und einem Waschtisch eingerichtet. Ende des 19. Jahrhunderts wurden einige der vornehmsten Stockwerke mit einer privaten Badewanne ausgestattet, und in den Einfamilienhäusern wurden sie in den Untergeschossen aufgestellt. Die Badewanne ist freistehend aus Gusseisen und die Füße können sowohl als Löwenfüße als auch als Vogelfüße geformt werden. Waschbecken haben oft einen separaten Warm- und Kaltwasserhahn. Sie sind tief und haben einen erhöhten hinteren Rand, der vor Spritzwasser schützt. Bis in die 1940er Jahre waren die Wasserhähne oft mit einem Porzellanknopf mit der Aufschrift heiß oder kalt versehen. Der Raum ist mit Keramikfliesen, Kalkstein oder Marmorboden ausgestattet. Die Wände sind mit Pärlspont-Paneelen oder Fliesen versehen und andere Raumdetails sind aus Messing gefertigt.

Für die meisten Menschen ist das eigene Badezimmer ein unglaublicher Luxus und fast völlig undenkbar. Ihre Realität ist immer noch die Badewanne in der Küche oder möglicherweise eine gemeinsame Badewanne im Keller des Mehrfamilienhauses. Ab 1900 ist es auch möglich, öffentliche Badeanstalten zu besuchen. Erst im 20. Jahrhundert wurde es üblich, in Neubauten ein separates Badezimmer zu haben.

Die Trockentoilette befindet sich im Hof, auf dem Dachboden oder, wenn man zur Mittelschicht gehört, kann sie sich auch in der Wohnung oder im Treppenhaus befinden. Moderne Wohnungen werden um die Jahrhundertwende mit Wasserklosetts ausgestattet.


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