~ 1910-1920: Nationalromantik

Allgemeine über die Nationalromantik

In den 1910er Jahren wurde der zuvor vorherrschende Jugendstil durch einen neuen Baustil namens Nationalromantik ersetzt. Nach und nach werden die als künstlich empfundenen weichen Formen des Jugendstils durch eine „echte und ehrliche“ Architektur ersetzt, die sich an älteren schwedischen Bautraditionen orientiert. Die Nationalromantik entwickelt sich als nationalistischer Zweig der Romantik und kommt im späten 19. Jahrhundert in den meisten Ländern vor allem in den Bereichen Kunst, Literatur und Musik zum Ausdruck. In Europa kulminiert die zuvor unruhige Lage im Ersten Weltkrieg 1914–1918 und die meisten europäischen Länder entwickeln ihren eigenen nationalromantischen Stil. Die Nationalromantik basiert auf romantischer Begeisterung für die echte, sichere und altbekannte heimische Baukultur. In Schweden liegt der Schwerpunkt auf dem Heimatort. Die Altstadt von Stockholm, Visby und das Vasa-Schloss dienen als Inspiration, während ältere mittelalterliche Gebäude und Details vermessen werden. Auch der Stil ist von deutschen, dänischen und englischen Vorbildern dient als Inspiration. Beispiele aus dieser Zeit sind die Gründung von Skansen sowie das Nationalmuseum in Stockholm.

Nach Kriegsausbruch ist Schweden von Arbeitslosigkeit und Baumaterialmangel geprägt. Der Wohnungsbau stoppt und die Wohnungsnot nimmt zu. Die im Bau befindlichen Gebäude verfügen über große Wohnungen mit hohem Standard und werden von Baufirmen oder Wohnungseigentümergemeinschaften errichtet. Die Einfamilienhäuser hingegen sind begehrter, da sie den eigenen Anbau von Nahrungsmitteln ermöglichen. Dies ist jedoch für die meisten Menschen unerreichbar. Der noch betriebene Wohnungsbau erfolgt über die Eigenheimbewegung (egnahemrörelsen), gemeinnützigen Vereinen und Immobiliengesellschaften. Die Häuser werden zum Teil vorgefertigt und über Anzeigen und Hauskataloge vermarktet.

Fassadenstil

Der Stil der Nationalromantik ist geprägt von dominant schweren, geschlossenen Ziegel- oder Putzfassaden mit hohen, steilen Ziegeldächern, die an Burgen und Schlösser aus der Vasa-Zeit erinnern. Ziegel werden maschinell hergestellt und gebrannt, um altmodische, handgefertigte Ziegel nachzuahmen. Um die alte Ausstrahlung weiter zu verstärken, werden dekorative Maueranker oft sichtbar an der Fassade angebracht. Weitere Dekorationen sind geschnitzte Steinfiguren, Fliesenverzierungen, wellenförmige Bänder oder bemalte Felder in gedeckten Farben. Die Fassaden sind meist mit eckigen Erkern auf dekorativen Steinkonsolen und Balkonen mit Naturstein- oder schmiedeeisernen Geländern versehen. Die Häuser stehen auf einem Sockel, der oft aus grob behauenem Naturstein besteht. Die Türen sind oft auffallend klein mit schweren Rahmen aus gehauenem Stein. Die Fenster haben kleine Sprossen, um die mittelalterliche Bleirahmentechnik nachzuahmen. Sie sind weiß oder braun gestrichen, haben unterschiedliche Größen und sind unregelmäßig in der Fassade angeordnet. In den nationalromantischen Treppenhäusern finden sich fantasievolle und verspielte Motive, zum Beispiel Ranken, Ritter und Kobolde in gedeckten blau-lila und blau-grünen Farbtönen.

Die Einfamilienhäuser dieser Zeit lassen sich in drei verschiedene Varianten einteilen; eine von der Bauernkultur inspirierte Holzarchitektur mit steilen Ziegeldächern, verputzte Einfamilienhäuser mit getäfelten Obergeschossen in den Farben Teerbraun oder Falurot und Einfamilienhäuser mit schweren Ziegelsteinfassaden, Details im Mauerwerk und Balkonen mit Geländern aus Schmiedeeisen. Die Fenster haben in der Regel kleine Sprossen, die kleiner sind als früher, um einen altmodischen Eindruck zu erwecken, und werden vorzugsweise mit Fensterläden ausgestattet. Die falurrote Farbe ist beliebt bei Holzfassaden, ebenso wie ein Teeröl, das eine braunschwarze oder dunkelbraune Farbe ergibt. Verputzte Häuser sind oft in hellem Ockergelb oder Grauweiß gestrichen.

Haus Mullberget auf der Insel Djurgården in Stockholm. Baujahr 1909.

Nationalromantische Häuser

In den 1910er Jahren beginnen erstmals Architekten und Künstler, sich für Einrichtungsgegenstände, praktische und schöne Wohnungen für alle Bevölkerungsschichten zu interessieren. Die Wohnungsausstellung 1917 bei Liljevalchs in Stockholm ist von großer Bedeutung und zeigt, wie kleine Wohnungen mit billigen Möbeln schön eingerichtet werden können.

Die technische Entwicklung setzt sich unter anderem durch das elektrische Licht fort, das in der Steinstadt und in größeren Einfamilienhäusern zum Standard wird. Zentralheizung, WC und Badezimmer in größeren Wohnungen und Einfamilienhäusern tragen zu einem völlig neuen Wohnstandard bei. Elektroherde und Staubsauger sind die neuen technologischen Errungenschaften des Jahrzehnts.

In exklusiven Umgebungen dominiert bei der Einrichtung der romantische Blick auf die Geschichte, inspiriert von der Wikingerzeit und dem Mittelalter. Sichtbar wird dies vor allem durch bemalte Holzpaneele an der Decke, weiße Wände, raue Holzböden und rustikale feste Sitzgelegenheiten in tiefen Fensternischen und Treppen. Eiche und Mahagoni werden für Verzierungen verwendet, aber eine billigere Alternative ist dunkel gebeizte Kiefer. Obwohl an mehreren Stellen eine Zentralheizung installiert ist, wird diese durch Kachelöfen ergänzt. In großen Häusern werden auch offene Kamine gebaut, um an die Gemeinschaft um das offene Feuer früherer Zeiten zu erinnern.

Die Wände sind mit handgewebten Textilien in leuchtenden Farben geschmückt, oft mit altnordischen Motiven, und an den Decken sind handgeschmiedete Kronleuchter üblich. Bei Alltagsgegenständen kommt der Stil nicht so stark zur Geltung wie es beim Jugendstil der Fall war. 

Fenster der 1910er Jahre

Die mittelalterlichen Vorbilder der Nationalromantik spiegeln sich deutlich in den Fenstern wider. Um kleine altertümliche Bleiglasöffnungen nachzuahmen, sind die Fenster mit kleinen Sprossen versehen. Die äußere Scheibe hat Sprossen und ein S-förmiges Profil. Trotz der engen Sprossen lassen die Fenster viel Licht durch die filigranen Verzierungen in Träger, Rahmen und Bogen. Das Fenster ist mit zwei oder drei Rahmen mit gerader Oberseite und nach innen gerichteten und verbundenen Bögen gestaltet. Das Fenster von Einfamilienhäusern wird oft nach außen geöffnet. Die Fenster werden mit einem Drehstangenverschluss geschlossen. Die Verzierungen besteht aus ausgesuchtem, harzreichem Holz, das mit Leinölfarbe gestrichen wird, erstmals mit weißer Farbe, was zuvor in einer städtischen Umgebung nicht üblich war. Sie können auch braun gestrichen werden und verputzte Fassaden haben einen cremefarbenen Farbton.

Neben den oben genannten Fenstern werden Bogenfenster auch zu dekorativen Zwecken verwendet. Diese haben in der Regel einen Mittel- und/oder Querträger. Kleine rautenförmige Fenster kommen in Einfamilienhäusern ebenfalls vor.

Außentüren – 1910er Jahre

Die Außentüren in der Zeit der Nationalromantik werden als klein empfunden, sie sind oft asymmetrisch platziert, nach innen gerichtet und versteckt. Es ist üblich, über der Tür ein Rundbogenfenster zu platzieren, damit Licht in das Treppenhaus gelangen kann. Die Außentür besteht aus einer massiven Doppel- oder Einzeltür aus Eiche, die mit Klarlack oder Firnis gestrichen wird, um die Echtheit des Materials zu betonen. Ein gängiges Reliefmuster auf dem Türblatt ist die Rautenform, aber es gibt auch detailgetreue Arbeiten, die von der Natur inspiriert sind. Die Tür hat in der Regel eine kleinere geschliffene Glasöffnung und der Türgriff ist rustikal und kunstvoll gestaltet. Die Griffe sind aus Messing, Bronze oder gehämmertem Eisen und können mit Verzierungen aus dem Tier- und Pflanzenreich versehen sein. 

Treppenhaus – 1910er Jahre

In den nationalromantischen Treppenhäusern manifestiert sich der romantisierte Blick auf die Geschichte durch überwältigende Dekorationen. Üblich sind ganz glatte Flächen, bemalt mit fantasievollen, verspielten Motiven, wie Ranken, Ritter und Trolle, in gedeckten Blau-Lila- und Blau-Grün-Tönen, die einen kräftigen Eindruck erwecken. Die Malereien stammen von Künstlern oder professionellen Malern, sind jedoch nicht signiert. Es gibt auch dunkel gebeizte Paneele und glänzende Stucco Lustro an den Wänden. Die Deckenmalereien sind oft matter, was durch die Verwendung von Kreidefarbe auf trockenem Putz erreicht wird, die Technik wird als „al secco" bezeichnet. Die Deckenbeleuchtung ist oft Teil des Motivs.

Fußböden und Treppen sind normalerweise aus schwedischem Marmor oder Kalkstein. Auf dem Boden wird es meist im Schachbrettmuster verlegt. Die Treppenhäuser sind wie in den vergangenen Jahrzehnten mit Bleirahmenfenstern versehen, aber Klarglas kommt immer häufiger vor, da im Hof keine Trockentoiletten mehr stehen.

Im Treppenhaus sind Handläufe üppiger und können aus stärkerem Holz oder Messing bestehen. In den anderen Etagen ist der Handlauf schlichter gestaltet, aus rundem oder schalenförmigem Holz. Die Treppengeländer sind meist aus Holz mit gedrechselten Pfosten. Die Eckpfosten haben normalerweise Rillen und eine runde Spitze.

Es wird immer üblicher, dass Wohnungen Einzeltüren haben, sogar in den luxuriöseren Wohnungen. Große Wohnungen haben Doppeltüren für die Herrschaften und Einzeltüren für die Dienerschaft. Sehr große Wohnungen haben ein separates Treppenhaus für das Personal. Die Türblätter sind aus Eiche mit dekorativen Scharnieren und können in dunklen Tönen gebeizt, in Holzimitat lackiert oder mit Farbe gestrichen werden. Verkleidung und Sockel sind wie in den Wohnungen gestaltet. Türklingel und Briefschlitz haben weiche Formen aus Messing, Bronze oder gehämmertem Eisen. Zu Beginn des Jahrzehnts ist der Türgriff schwer und hat ein langes Schild, während er gegen Ende des Jahrzehnts ein separates Schlüsselschild hat.

Der Aufzugsschacht befindet sich in der Treppenspindel und ist mit einem transparenten Netz und Aufzugstüren mit dichten Dekorationen gestaltet. Die Wände der Aufzugskabine sind mit Holzplatten verkleidet, die manchmal mit Maserung versehen sind.

Die Treppenhausbeleuchtung im nationalromantischen Stil besteht oft aus hängenden Laternen aus Schmiedeeisen mit farbigem Rohglas. Glaskuppeln können geschliffen und entweder aufgehängt oder mit einem Sockel aus Messing oder Schmiedeeisen direkt an der Decke montiert werden.

Lampen und Beleuchtung – 1910er Jahre

In Stockholm verfügen im Jahr 1910 nur etwa 20 % der Einwohner über elektrische Beleuchtung. In der Tür der Mehrfamilienhäuser hängt oft eine elektrische Laterne aus Schmiedeeisen und Glas. An der Fassade von Einfamilienhäusern wird eine Beleuchtung aus beispielsweise Kupferblech mit gelbem Pressglas angebracht. Auch die Hausnummern können beleuchtet werden, entweder im oberen Fenster über der Tür oder als Laterne in Kupferblech an der Fassade.

In luxuriösen Innenräumen kann eine feste Deckenbeleuchtung mit einfachen Glühlampen in der Ecke des Raums montiert und in die Einrichtung integriert werden.

Die elektrische Verkabelung ist durch verdrillte Textilkabel sichtbar, die an Porzellanisolatoren an Decke und Wänden befestigt werden. Die Schalter und Steckdosen sind außen und meist auf Holzplatten montiert.1908 wird Bakelit patentiert und erfreut sich aufgrund seiner Hitzebeständigkeit und den guten Isolationseigenschaften und der Tatsache, dass es billiger ist als Porzellan, großer Beliebtheit für Elektroprodukte. Für Lichtschalter werden Porzellan und Bakelit lange Zeit nebeneinander verwendet und sind in den frühen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gleichermaßen beliebt. 

In den 1910er Jahren wurde es üblich, das Messing antik zu streichen, um den Lampen ein älteres Aussehen zu verleihen.Vor der Einführung von Wolframbirnen in den 1910er Jahren waren Lampenschirme aus Klarglas bei Decken- und Wandlampen am geläufigsten. Das Glas ist in einem Muster geschliffen, um das Licht zu brechen und eine gewisse Blendung zu verhindern. Dabei handelt es sich häufig um ein Schachbrettmuster, oft mit einem geschliffenen Stern am unteren Rand des Glases.

In den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ist sandgestrahltes und blasenförmiges Glas, das sogenannte Krokodilglas beliebt. Bevor in den 1910er Jahren die stärkeren Wolfram-Glühlampen eingeführt wurden, kam opalweißes Glas nur bei offenen Lampenschirmen vor, bei denen die Richtung des Lichts gesteuert werden konnte, wie es z. B. bei den opalweißen Lampenschirmen bei den Schusterlampen der war. Bei den stärkeren Glühlampen entstand das Bedürfnis, das Licht blendfrei zu verteilen, was am besten durch opalweißes Glas erreicht wird.

Tapeten – 1910er Jahre

Während des Ersten Weltkriegs ändert sich die Tapetenmode. Kleingemusterte Tapeten mit Blumenmustern setzen sich ab 1915 auf breiter Ebene durch und vermitteln eine gemütliche Ausstrahlung. Großflächige Art-Deco-Muster werden mit kräftigen schwarzen Konturen und leuchtenden Farben, vorzugsweise mit Vogelelementen, auf den Markt gebracht. Im luxuriösen Esszimmern sind nach wie vor dunkle Gobelin-Tapeten beliebt, und im Salon werden Tapeten gewählt, die schimmernde Seidenstoffe in leuchtenden Farben imitieren. Für die Schlafzimmer wird eine helle Tapete mit Blumenmuster gewählt.

Verzierungen – 1910er Jahre

In den 1910er Jahren dienten die Preislisten der Tischlereien als Grundlage für die Verzierungen. Die Verkleidung ist im Vergleich zu früheren Jahrzehnten etwas schlichter. Die übliche Breite beträgt etwa 10 cm. Jetzt sind auch gleichseitige Verkleidungen mit gleichen Profilen auf beiden Seiten beliebt. In der Küche sind Pärlspont-Paneele beliebt. Die Bodensockel sind oft relativ hoch, aber mit einfacher Profilierung. Die normale Höhe beträgt 14–17 cm mit einer einfachen Rundung oben oder einigen kleinen Einschnitten im oberen Drittel. 

Stuck – 1910er Jahre

In den Wohnungen der Steinstadt sind die Decken weiß gestrichen, und der Übergang zwischen Wand und Decke wird immer häufiger mit einfachen Stuckleisten versehen. Die weiße Deckenfarbe wird an der Wand etwas heruntergezogen. Es gibt auch Holzdecken, die mit einer Lasur versehen sind, um mittelalterliche Verzierungen im nationalromantischen Stil nachzuahmen. In Einfamilienhäusern ist es üblich, Wellpappe zu verlegen und die Decken mit einer einfachen Deckenleiste weiß zu streichen. 

Türen – 1900er und 1910er Jahre

Wie in den Jahrzehnten zuvor sind die Gesellschaftsräume der Wohnungen mit Doppeltüren und die anderen Räume mit Einzeltüren ausgestattet. Ein Novum ist jedoch die Schiebetür, die große zusammenhängende Räume schafft und dem Bedürfnis nach mehr Licht und Luft in den Räumen entspricht. Die Füllungen der Türen variieren sowohl in Anzahl als auch Anordnung. Eine beliebte Variante ist die mit sechs Füllungen und geraden, gleich großen Spiegeln. Die Türen sind normalerweise in einem cremefarbenen Farbton gestrichen, aber die Türen zum Esszimmer sind oft aus Eiche oder mit Maserung versehen. Die Türen sind von Türverkleidungen mit Sockeln umgeben, die nach den Idealen des Jugendstils gestaltet sind. Normalerweise mit weichen und relativ einfachen Formen, wie einer welligen S-Form, oder mit drei parallelen Linien. In der Zeit der Nationalromantik in den 1910er Jahren gibt es auch gleichseitige Verkleidungen mit gleichen Profilen auf beiden Seiten.

Die Türgriffe sind in verschiedenen Varianten erhältlich. Die älteren, kegelförmigen Türgriffe werden noch verwendet, aber es gibt auch neue Varianten, die mit weichen Messingformen gestaltet werden. Es gibt auch Türgriffe aus vernickeltem Stahl. Die Griffe sind oft auf einem langen Schild mit geschwungenen, zeittypischen Formen platziert. 

Kamine – 1910er Jahre

Als Teil des nationalen romantischen Ideals werden jetzt große, offene Kamine in größere Wohnungen eingebaut. Da die Häuser mittlerweile meist mit Zentralheizung beheizt werden, werden die Kachelöfen nicht mehr benötigt, wodurch der offene Kamin nur noch der Gemütlichkeit wegen gebaut wird. Der offene Kamin soll an die alten Zeiten erinnern, als sich Menschen um das Feuer versammelten. Die offenen Kamine werden oft in der Mitte der Wand in einem geräumigen Flur oder in der Ecke des Wohnzimmers platziert. Der Kamin ist mit einem Kaminsims versehen, der entweder verputzt oder mit Marmor verkleidet ist.

Aufgrund der Brennstoffknappheit in den Kriegsjahren wird in einfacheren Räumen die Zentralheizung teilweise durch Kachelöfen ergänzt. Der Kachelofen im Stil der Nationalromantik ist sowohl rund als auch flach gestaltet mit schlichten Blumenranken an Teilen des Ofens. Es kommen auch einfarbige Öfen in Hellgrün oder Blau mit Relieffliesen vor. Eine Neuheit sind kastenförmige Kachelöfen mit spitz zulaufendem Oberteil. 

Küchen – 1910er Jahre

In den Arbeiterunterkünften ist die Küche ein Treffpunkt zum Kochen und geselligen Beisammensein und wird als Schlafplatz genutzt. Nicht selten leben neben der ganzen Familie noch andere Bewohner in der Küche. Hier trifft man sich am Holzofen oder am Kachelofen mit Wärmeschrank. An anderer Stelle im Raum stehen vielleicht ein Schrank oder offene Regale für Utensilien.

In wohlhabenden Wohnungen und Einfamilienhäusern sieht es anders aus. Hier ist die Küche ein sauberer Arbeitsplatz mit eigenem Ausgang, damit Küchenpersonal, Bedienstete und manchmal sogar die Kinder des Haushalts nicht durch den Haupteingang eintreten müssen. Die Herrschaften betreten die Küche nicht und die Küche ist immer zum Hof oder nach Norden so weit wie möglich von den Gesellschaftsräumen entfernt, damit man dort nicht durch Lärm und Essen gestört wird. Ein Serviergang führt von der Küche zum Esszimmer. Der Serviergang ist mit hohen, schönen Einbauschränken mit Unterschränken für größere Utensilien, Schubladen für Besteck und Oberschränken mit Geschirr, Gläsern und Terrinen versehen. Es kann auch einen kleinen Arbeitsbereich zum Anrichten und eine kleine Arbeitsplatte mit Waschbecken geben.

In der Küche hingegen stehen Töpfe in offenen Regalen oder hängen Utensilien an Haken. Lebensmittel und Gewürze werden in einer Speisekammer aufbewahrt, die an der Außenwand gebaut ist, entweder mit einem Fenster oder einer Belüftung, um die Speisekammer kühl zu halten. In der Küche oder in einem angrenzenden Raum gibt es auch einen Eisschrank, wo der Eismann regelmäßig Eisblöcke liefert.

Das Essen wird auf einer niedrigen Spüle/Arbeitsplatte mit Unterschränken und einer Platte aus Carrara-Marmor zubereitet. Marmor ist eine hervorragende Oberfläche für den Umgang mit den Speisen, und nach dem Abendessen werden die Utensilien und das Geschirr in einer Wanne gespült, die auf der Arbeitsplatte steht, was die geringe Höhe der Arbeitsplatte erklären könnte. Entlang der Wand hinter der Spüle befindet sich ein Spritzschutz, der wie die Arbeitsplatte aus Marmor oder Zink gefertigt wurde. Um 1910 kann er auch aus Opalglas bestehen. Wenn die Spüle nur als Arbeitsplatte verwendet wird, ist sie oft aus natürlichem Holz oder möglicherweise geölt. In der Küche gibt es ein Spülbecken, das jedoch nur als Abfluss dient. Hinter dem Spülbecken kann eine Platte aus Zink oder emailliertem Gusseisen angebracht sein.

Die Küche ist mit einem hohen Wandschrank ausgestattet, der mit einem Schlüssel geöffnet wird. Das Herzstück der Küche bildet der Holzofen, der ab dem 20. Jahrhundert nach und nach durch einen Gasherd ersetzt wird. Rund um den Ofen werden fugenlose Fliesen mit abgeschrägten Kanten verlegt. Diese können für eine luxuriösere Ausstrahlung auch mit Bordüren und Pilastern versehen sein. (Die Fliesen wurden mit einer Mischung aus Kreide, Pigment und Wasser und später mit weißer Fugenmasse verfugt.) Die Küche hat einen niedrigeren Stellenwert als die meisten anderen Räume, und während die Gesellschaftsräume mit schönen Verzierungen versehen sind, wird darauf geachtet, dass die Küche leicht abgewischt und sauber gehalten werden kann. Die Wände können glatt verputzt sein, aber besonders beliebt ist es, Wände und Decken mit Pärlspont-Paneelen zu verkleiden. Einige entscheiden sich auch für Tapeten. Die Verzierungen sind jedoch in den gleichen Farben wie der Rest des Hauses gestrichen oder mit Maserungen versehen.

In den 1910er Jahren wurden die Küchenschränke oft in Zinkgrün oder anderen kräftigen „Alltagsfarben“ wie Blau und Rot gestrichen. Die Schränke wurden mit einfachen Schrankknöpfen und einem externen Verriegelungsmechanismus geöffnet. 

Hygiene – 1910er Jahre

Neu gebaute Wohnungen und Einfamilienhäuser sind jetzt oft mit eigenen Waschräumen (WC) mit Waschbecken, Waschtisch und Badewannen ausgestattet. Erst in den 1920er Jahren wurden Innentoiletten üblich, da es in Städten Beschränkungen für den Anschluss von Toiletten an den Abfluss gab. Es war nach wie vor üblich, die Trockentoilette im Hof zu nutzen.

Die tägliche Hygiene bestand für die meisten Menschen darin, Hände und Gesicht in einem Waschbecken zu waschen, das mit einem dazugehörigen Krug mit Wasser gefüllt wurde. Gebadet wurde selten und dann in einer Wanne auf dem Küchenboden oder eventuell in einer Gemeinschaftsbadewanne im Keller des Mietshauses. Wenn man es sich leisten konnte, war es auch möglich, öffentliche Badeanstalten zu besuchen. 

Wenn kein Wasserzugang im Haus vorhanden war, wurde das Wasser aus einem Brunnen im Hof geholt und auf dem Ofen erhitzt. Die technologische Entwicklung verdeutlicht die Unterschiede in der Hygiene zwischen Arm und Reich. 

Die Badewanne ist freistehend aus Gusseisen und die Füße können sowohl als Löwenfüße als auch als Vogelfüße geformt werden. Waschbecken haben oft einen separaten Warm- und Kaltwasserhahn. Sie sind tief und haben einen erhöhten hinteren Rand, der vor Spritzwasser schützt. Bis in die 1940er Jahre waren die Wasserhähne oft mit einem Porzellanknopf mit der Aufschrift heiß oder kalt versehen. Der Raum ist mit Keramikfliesen, Kalkstein oder Marmorboden ausgestattet. Die Wände sind mit Pärlspont-Paneelen oder Fliesen versehen und andere Raumdetails sind aus Messing gefertigt.


JavaScript seem to be disabled in your browser.

You must have JavaScript enabled in your browser to utilize the functionality of this website.